Kommunalzirkel „Das Land verändert sich und mit ihm das Ehrenamt – Engagementförderung vor Ort“ 2017–2018
Im Juli 2017 startete ein weiterer Kommunalzirkel, in dessen Rahmen sich Kommunen bayernweit in einer Reihe von Veranstaltungen zu Fragen nachhaltiger, vorausschauender Kommunalentwicklung austauschen konnten. Neben dem Kommunalzirkel zu Veränderungsprozessen in der Bevölkerungsstruktur beschäftigte sich dieser Zirkel mit Themen rund um Bürgerschaftliches Engagement und Beteiligung.
- Wie kann man vor Ort seitens Politik und Verwaltung die Landschaft des Ehrenamtes unterstützen und zukunftsfähig mitgestalten?
- Welche Probleme haben Vereine und wie können sie diese bewältigen?
- Ehrenamt heißt nicht nur Mittun sondern auch Mitverantworten und Mitgestalten. Wie kann man diesen Dreiklang vor Ort besser wahrnehmbar machen und umsetzen?
Über zwanzig bayerische Kommunen haben sich auf unseren Aufruf, sich am interkommunalen Erfahrungsaustausch zu beteiligen, gemeldet.
Teilnehmende Kommunen:
Gemeinde Dieterskirchen, Lkr. Schwandorf; Markt Seinsheim, Lkr. Kitzingen; Gemeinde Leupoldsgrün, Lkr. Hof; Gemeinde Ascha, Lkr. Straubing-Bogen; Gemeinde Adelshofen, Lkr. Fürstenfeldbruck; Gemeinde Duggendorf, Lkr. Regensburg; Gemeinde Bischofsgrün, Lkr. Bayreuth; Gemeinde Reckendorf, Lkr. Bamberg; Gemeinde Kirchdorf i. Wald, Lkr. Regen; Gemeinde Zeilarn, Lkr. Rottal-Inn; Gemeinde Kollnburg, Lkr. Regen; Markt Weidenbach, Lkr. Ansbach; Gemeinde Ettringen, Lkr. Unterallgäu; Gemeinde Fürstenstein, Lkr. Passau; Gemeinde Langenbach, Lkr. Freising; Gemeinde Bellenberg, Lkr. Neu-Ulm; Markt Wiggensbach, Lkr. Oberallgäu; Markt Giebelstadt, Lkr. Würzburg; Stadt Riedenburg, Lkr. Kelheim; Stadt Mellrichststadt, Lkr. Rhön-Grabfeld; Markt Kösching, Lkr. Eichstätt; Gemeinde Taufkirchen (Vils), Lkr. Erding; Markt Roßtal, Lkr. Fürth; Markt Hirschaid, Lkr. Bamberg; Stadt Schrobenhausen, Lkr. Neuburg-Schrobenhausen; ILE Ilzer Land e.V., Lkr. Freyung-Grafenau & Lkr. Passau
Kommunalzirkel "Das Land verändert sich und mit ihm das Ehrenamt" am 13. Juli 2017 in Plankstetten gestartet
Die Auftaktveranstaltung im Kloster Plankstetten am 13. Juli 2017 eröffnete Gerhard Dix vom Bayerischen Gemeindetag mit einem nachdenklichen Befund: Wie wird es gelingen, das doch so große Engagement der Bürgerinnen und Bürger in der Flüchtlingshilfe nun auch für die langfristigen Aufgaben der Integration an Bord zu halten. Seiner Meinung nach brauchen Kommunen hierfür nachhaltige Strukturen wie Anlaufstellen und hauptamtliche Kümmerer, denn die Erschöpfung vieler Ehrenamtlicher sei schon spürbar. Dr. Thomas Röbke vom Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (LBE) Bayern e.V. betonte in seiner Einführung, dass es nicht nur um die neuen Initiativen gehen darf, wenn man das Ehrenamt in Bayern in Blick nimmt, sondern auch um die "Klassiker" wie Kirchengemeinden oder Vereine. Auch sie spüren Veränderungen. Zweifellos ist das Engagement hierzulande groß. Fast die Hälfte aller in Bayern lebenden Personen ab 14 Jahren engagieren sich freiwillig und unentgeltlich in Sport, Kirche, im Kultur oder im Sozialbereich. Aber es sind auch problematische Entwicklungen zu verzeichnen. Offenbar sinkt die Zahl derjenigen, die bereit sind, ein langjähriges Amt zu übernehmen, während die Zahl derer, die sich sporadisch engagieren, anwächst. Vielleicht, so ein Teilnehmer, leben wir in einer Zeitenwende, die von weniger Vereinen und mehr freien und ungebundene Initiativen geprägt sein wird. Darauf hätten wir noch keine Antwort. Dennoch bleiben in Deutschland die Vereine die Ehrenamtssäule Nummer eins. Etwa die Hälfte allen freiwilligen Engagements findet in ihnen statt.
Das Vereinsleben stand auch im Fokus der gemeinsamen Diskussion an Thementischen, die sich um die Frage kümmerte, was die Kommunen zur Unterstützung des Ehrenamtes tun können. Themen wie Stärkung der Anerkennungskultur, Gewinnung von Nachwuchs, aber auch die strategische Rolle der Kommune in der Ehrenamtsförderung als Rahmensetzerin oder Impulsgeberin, als Moderatorin oder finanzielle Unterstützerin wurden diskutiert.
Abschließend berichtete Jan Holze, Geschäftsführer der Engagement-Stiftung des Landes Mecklenburg-Vorpommern von einem interessanten landesweiten Modell der Ehrenamtsförderung. Eine willkommene Blaupause für die ab 2018 in Bayern an den Start gehende Bayerische Ehrenamtsstiftung.
Einige thematische Hinweise:
- Link zum "Vereinswiki" des LBE Bayern
- Link zum Fortbildungsprogramm und zur Fortbildungsdatenbank (TODO) des LBE Bayern
- Link zur Publikation "Vereine in der Kommune - Chancen und Herausforderungen" des Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement
Downloads zum Kommunalzirkel „Das Land verändert sich und mit ihm das Ehrenamt – Engagementförderung vor Ort“
Arbeitstreffen "Vereine - das Herz des Gemeindelebens"
Beim Arbeitstreffen im Oktober 2017 in Neumarkt i.d.OPf. stand mit den Vereinen nun „das Herz des Gemeindelebens“ im Mittelpunkt. Zunächst stellte Ralf Mützel das Bürgerhaus Neumarkt vor, das Gastgeber des Treffens war. Er machte deutlich, dass das Bürgerhaus eine lokale Plattform für Ehrenamt, Vereinsleben und Nachhaltigkeit in Neumarkt darstellt. Mit genial e.V., die sich Hilfestellung für Senioren im Alltag auf die Fahne geschrieben hat und FAN e.V., der Freiwilligenagentur Neumarkt, waren bei der Vorstellung zwei Vereine vertreten, die ihren Sitz im Bürgerhaus haben.
Bei einer anschließenden Blitzumfrage unter den Teilnehmenden wurden schnell zwei Dinge klar:
Viele der Anwesenden waren in einer Doppelfunktion angereist – hatten einige doch sowohl den kommunalpolitischen Hut auf sowie den Hut einer Funktion in einem Verein. Und viele der Anwesenden brachten ähnliche Fragen und Probleme mit, was das Vereinsleben vor Ort betrifft:
Nachfolgesorgen bei der (Neu-)Besetzung von Ämtern, bürokratische Hürden, komplizierte (steuer)rechtliche Fragen, die teilweise recht hohe Anforderungen z.B. an den Kassier stellen, eine Person, viele Ämter – sowie die Frage nach zeitlichen und personellen Ressourcen.
Diesen Fragen und Herausforderungen nahm sich Michael Blatz an, der als Vereinsberater und Coach bereits viele Vereine bei dem Prozess begleitet hat, sich selbst auf den Prüfstand und die Weichen für die Zukunft zu stellen. In seinem kurzweiligen Vortrag stellte er teils provokante Fragen und gab einen Einblick in mögliche Perspektivwechsel und Methoden zur Gewinnung und Bindung von Mitgliedern. Dabei spielt die kritische Reflektion des Vereinslebens eine wichtige Rolle: Sich Gedanken über die Zukunftsfähigkeit des eigenen Vereins zu machen und sich ehrlich auch die unangenehmen Fragen zu stellen, kann dabei helfen. Was ist die äußere Wahrnehmung unseres Vereins, warum möchte jemand bei uns Mitglied werden - oder warum nicht? Welchen Nutzen hat die Mitgliedschaft? Hierbei sollten die Erwartungen mit den Gegebenheiten abgeglichen werden, wozu beispielsweise Vereinsumfragen beitragen können.
Ein wichtiger Aspekt ist die Anerkennung des ehrenamtlichen Engagements. Anerkennungskultur innerhalb der Vereine, aber auch seitens der Kommunen für die Vereine und Initiativen, die das Gemeinwesen vor Ort mitgestalten. Ein beeindruckendes Beispiel kommunaler Anerkennungskultur stellte Dr. Gaby von Rhein von der Freiwilligenagentur im Landkreis Regensburg vor: Die „Vereinsschule“ im Landkreis Regensburg geht bereits in die dritte Runde und bietet Aktiven aus den Vereinen im Rahmen mehrerer Veranstaltungen Informationen und Austausch zu wesentlichen Fragen in ihrer ehrenamtlichen Arbeit. Folgende Themen werden dabei z.B. behandelt:
- Feste, Feiern, Weihnachtsmarktstände - was muss man bedenken?
- Haftungsrisiken in der Vereins- und Vorstandsarbeit
- Die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung
- Öffentlichkeitsarbeit
- Gemeinnützigkeit und Steuerrecht
- Modernes Vereinsmanagement
Zusätzlich bietet die Freiwilligenagentur einmal in der Woche eine kostenlose Telefon-Sprechstunde zum Thema "Haftung im Vereinsrecht" an.*
Am Nachmittag wurde verstärkt die Rolle der Kommune in den Fokus genommen. Welche Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf das Vereinsleben vor Ort bieten sich? In Arbeitsgruppen wurden konkrete Herangehensweisen diskutiert: Wie kann Anerkennungskultur gestaltet und Danke gesagt werden? Wie kann bspw. ein Neujahrsempfang geplant und durchgeführt werden? Welche Infrastruktur kann die Kommune dem Vereinsleben vor Ort zur Verfügung stellen? Welchen Beitrag kann ein kommunaler Ansprechpartner leisten?
Erprobte Beispiele wurden ebenso ausgetauscht wie neue Ideen, die nun darauf warten, umgesetzt zu werden.
Die Diskussionsergebnisse sowie weitere Informationen entnehmen Sie den Materialien im Downloadbereich.
* Ein bayernweites „Sorgentelefon Ehrenamt“ bietet übrigens die bayerische Staatskanzlei an: Unter der Telefonnummer 089/1222212 können sich ehrenamtlich Tätige melden. Das „Sorgentelefon Ehrenamt“ soll ausschließlich Fragen rund um die Durchführung von Vereinsfeiern und Festen beantworten.
Downloads zum Kommunalzirkel „Das Land verändert sich und mit ihm das Ehrenamt – Engagementförderung vor Ort“
Arbeitstreffen "Vom Bürgerengagement zur Bürgerbeteiligung und zurück"
Kommunale Demokratie lebt von Bürgerinnen und Bürgern, die sich aktiv in das Gemeinwesen einbringen. Sie wollen oft nicht nur mittun, sondern auch mitreden. Dies setzt ein gutes verantwortliches Miteinander von Gemeinderat, Verwaltung und bürgerschaftlichen Gruppen voraus. Wie kann das gelingen? Dieser Frage ging unser Kommunalzirkel-Treffen am 17. April 2018 in Roßtal nach. Anhand konkreter Beispiele wurde der „Brückenbau“ zwischen Engagement und Beteiligung näher beleuchtet, gemeinsam wurden Gelingensfaktoren und Stolpersteine identifiziert und diskutiert.
Dass es gerade in einer Zeit wachsender Politikverdrossenheit besonders wichtig ist, eine neue bürgerschaftliche Verantwortungskultur vor Ort zu fördern, stellte Dr. Thomas Röbke in seiner Einführung heraus, in der er einen Streifzug durch die Begrifflichkeiten unternahm. Er sprach über die Rollen von demokratisch gewählten Gremien, Öffentlichkeit und privaten Lebenswelten bei der Revitalisierung der kommunalen Demokratie.
Johann Völkl, Erster Bürgermeister von Roßtal, stellte einen Weg vor, Politikverdrossenheit schon im Kindesalter entgegenzuwirken: Der Roßtaler Kindermarktgemeinderat vor, den es mittlerweile in der dritten Legislaturperiode gibt, wird an der örtlichen Grundschule gewählt, mit einem Kinderbürgermeister. Ein tolles Beispiel, um Demokratieerziehung zu stärken.
Klaus Zeitler veranschaulichte, wie mittels aktivierender Bürgerbefragungen nicht nur Meinungen und Rückmeldungen erfasst werden können, sondern über die Befragung auch kommunale Entwicklungsprozesse gestartet und gestärkt werden können und Leute für eine Mitwirkung gewonnen werden.
Einen weiteren Erfahrungsbericht brachte Christian Bauer mit, Kämmerer der Stadt Grafing bei München, die 2015 den Wettbewerb "Zukunftsstadt 2030" des BMBF gewonnen hat. In diesem Rahmen wurde ein digitales 3D-Stadtmodell und eine dazugehörige interaktive Plattform zum Austausch von Kommentaren entwickelt, um verschiedene stadtrelevante Themen wie z. B. Hochwasserschutz, Stadtplanung oder Bevölkerungswachstum besser greifbar zu machen und Bürgerbeteiligung zu stärken.
Daraus entstand eine spannende Diskussion zur Rolle der Stadt- und Gemeinderäte, zur Frage, wer in der Verwaltung auf welche Weise die Diskussionsprozesse bündelt und moderiert und die Schnittstelle zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern bespielt und auch zur Frage nach "analogen und digitalen" Methoden der Beteiligung und wie möglichst viele Zielgruppen erreicht werden.
Weitere Informationen erhalten Sie in den Präsentationen der Referent*innen.